Mit der Debatte über die Zustimmungs- oder Widerspruchslösung, bzw. die Entscheidungsregelung werden Möglichkeiten und Grenzen der Transplantationsmedizin wieder intensiv diskutiert.
Barbara Backer aus Moormerland lebt selbst mit einem Spenderorgan und setzt sich seit mehr als 25 Jahren für andere erkrankte Menschen ein. Sie ist das Gesicht und die Stimme der Organspende - weit über Ostfriesland hinaus, begleitet Patienten, die verzweifelt auf ein Organ warten, unterstützt die Familien, wirbt für die Organspende und klärt auf. Dies alles macht sie ehrenamtlich. Dafür ist Barbara Backer jetzt mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden.
Am Mittwoch den 18. September wird sie ab 14:30 Uhr im Sögeler Rathaus eine Ausstellung eröffnen, die über Organspende informieren und häufig gestellte Fragen beantworten will. Gibt es eine Altersgrenze für die Organspende? Welche Erkrankungen schließen eine Organspende aus? Werden die Angehörigen trotz Organspendeausweis um ihre Zustimmung gebeten? Unter welchen Bedingungen ist eine Lebendspende möglich? Welche Voraussetzungen müssen für eine post-mortale Organspende erfüllt sein? Ist eine Organspende möglich, wenn gleichzeitig eine Patientenverfügung existiert? Welche gesetzliche Regelung gilt in Deutschland? Welche Regelungen gelten im europäischen Ausland?
Die Ausstellung kann noch bis Dezember im Sögeler Rathaus besucht werden. Organspende und Hospizarbeit sind zwei wichtige Themen, über die wir dann am 4. Dezember noch einmal zusammen mit Gitta Connemann (MdB), Barbara Backer und Christian Prause (DSO) im Sögeler Rathaus ins Gespräch kommen wollten. Vor dem Hintergrund der Stellungnahme des DHPV zur Transplantationsmedizin und Organspende haben wir im Vorfeld bereits auf unsere Befürchtung hingewiesen, dass die von den drei Gesprächspartnern beworbene Widerspruchslösung die Vertrauenskrise der Organspende gerade nicht beheben, sondern noch weiter verschärfen könnte.
Gerne hätten wir daher gemeinsam über realistische Möglichkeiten zur Überwindung der Vertrauenskrise der Transplantationsmedizin nachgedacht. Denn die Vermutung, dass die hohen Raten der Organspenden in den Nachbarländern an der Widerspruchslösung läge, hat sich als Trugschluss erwiesen. Es gibt viele Studien, die belegen, dass z.B. die hohen Raten bei der Organspende in Spanien nicht an der Widerspruchslösung liegen, sondern an den guten Organisationsstrukturen in den Kliniken. Es liegt daran, dass man eben viel früher und viel intensiver mit den Menschen offen über diese Fragen spricht. Und es gibt auch keinen Belegt dafür, dass dadurch, dass man die Widerspruchslösung einführt, die Spende-Raten steigen. Im Gegenteil: In Dänemark sind die Spende-Raten zurückgegangen nachdem man die Widerspruchslösung eingeführt hat und in Schweden blieben sie gleich. Ein kausaler Zusammenhang ist durch keine seriöse Studie belegt.
Unsere Erfahrung zeigt, dass Menschen in existentieller Not jeden Strohhalm ergreifen, der Hoffnung verspricht, auch und gerade dann, wenn die Situation nahezu hoffnungslos ist. Umso wichtiger ist es von medizinischer, aber eben auch von politischer Seite, mit dieser Hoffnung verantwortungsvoll umzugehen. Und die Hoffnung, mit der Widerspruchslösung hätten wir jetzt ein eindeutiges, politisches Instrument dafür in der Hand, hat sich eben, nicht nur im Blick auf Dänemark und Schweden, als Trugschluss erwiesen. Und die Menschen fühlen sich durch diese suggerierte Eindeutigkeit erst recht unwohl und unter Druck gesetzt.
Wenn ein Mensch innerlich zweifelt, ob er einem anderen Menschen einen Gefallen tun soll, und Letzterer ihm ein schlechtes Gewissen zu machen beginnt, wenn er ihm diese Bitte abschlägt, dann hätte das doch zur Folge, dass der Zweifelnde sich nun erst recht zurückzieht und die Bitte abschlägt.
Viel besser ist es daher, mit dem zaudernden Menschen über sein Zaudern zu sprechen und zu klären, worin seine Unsicherheit besteht und wie sie sich abbauen lässt.
In diesem Sinne wollten wir die Stellungnahme des DHPV zur Transplantationsmedizin und Organspende zum Anlass zu nehmen, mit allen Beteiligten gemeinsam nach einer humanen Transplantationsmedizin zu suchen, die dann wirklich in der Lage wäre, diese Vertrauenskrise zu beheben, anstatt dem "schwerkranken Patienten 'Transplantationsmedizin'" mit der Widerspruchslösung falsche Hoffnungen zu machen. Das wäre nämlich sowohl medizinisch, wie auch politisch unverantwortlich.
Leider haben die Beteiligten die Veranstaltung mittlerweile abgesagt.