Hospizabend
mit Michael Strodt
Resilienz – Was die Seele stark macht
Hoffnung ist die andere Seite der Trauer
Seit vielen Jahren arbeitet die Psychotherapeutin Luise Reddemann mit traumatisierten Kriegskindern und Kriegsenkeln. Mit Hilfe der Resilienz-Forschung macht sie darauf aufmerksam, dass in allen Menschen so etwas wie eine "Überlebenskunst" schlummert, mit der sie schwierige Situationen gesund überstehen. George Bonanno hat in der Trauerforschung dafür den Begriff "pragmatisches Coping" geprägt. Dazu zählt z.B. repressives Bewältigungsverhalten, bei dem bestimmte Personen dazu tendieren, bedrohliche und unangenehme Reize einfach auszublenden. Dazu zählt auch ein unsicher-vermeidender Bindungsstil, bei dem die Menschen großen Wert auf Unabhängigkeit legen und die Bedeutung von nahen Beziehungen eher herunterspielen. Aber auch die Tendenz zur Selbstüberschätzung zählt dazu, durch die sie sich dem potentiell traumatischen Ereignis eher gewachsen fühlen. Erlaubt ist,
was hilft und die Seele stark macht, meint nicht nur Bonanno.
Dieser andere Blick auf Trauma und Verlustreaktionen fragt nach Selbstwirksamkeit und Resilienz, ohne dabei von Burnout und Depression zu schweigen. Denn damit stellt sich auch die Frage, was die Seele krank macht. Warum macht unsere Gesellschaft heute so viele Menschen krank? Ermüdungs- und Lähmungserscheinungen breiten sich massenhaft aus. Viele Menschen sind nicht mehr in der Lage, eine unverzerrte Identität auszubilden. Vielen jungen Menschen fehlen die Ressourcen, um eine starke Identität, ein starkes Selbst auszubilden und andere leiden geradezu an einer "Wohlstandsverwahrlosung". Man kann auch sagen, sie leben in einer "Hotelzivilisation". Eine "Hotelzivilisation" ist geprägt durch Komfort, Bequemlichkeit und Zufriedenheit. Wenn junge Menschen in einer solchen "Hotelzivilisation" groß werden, werden sie nicht stark. Ihnen kommt geradezu die Jugendlichkeit abhanden, weil sie nicht in der Lage sind, eine Alternative zu dem gegenwärtigen Status quo zu denken.
Sie haben sich eingerichtet, womit ihnen aber gleichzeitig die Zukunft geradezu abhandenkommt. Es kommt also darauf an, dass wir nicht nur junge Menschen in die Lage versetzen, dass sie ein starkes Selbst ausbilden, damit sie ein "humanes Leben" führen können. Aber ein "humanes Leben" ist dadurch gekennzeichnet, dass ich weiß, dass ich selbst und alle Menschen, mit denen ich zusammenlebe, endliche und verletzliche Wesen sind. Und wer in diesem Wissen nach Glück sucht und ein gelingendes Leben anstrebt, der braucht Hoffnung. Aber Hoffnung ist etwas völlig anderes als Optimismus. Denn Hoffnung weiß um das Scheitern, weiß um die Risiken und Hoffnung ist immer auch mit Angst verbunden. Hoffnung und Angst gehören zusammen. Ja, wir müssen wohl so weit gehen, dass Hoffnung und Verzweiflung zusammen gehören und dass jemand, der niemals in seinem Leben Verzweiflung erfahren hat, gar nicht weiß, was überhaupt Hoffnung ist. Der Hospizabend will dieser Hoffnung nachgehen und deutlich machen, was die Seele wirklich starkt macht. Denn Hoffnung ist kein pauswäckiger Optimismus. Sie ist geborgt – wie die Trauer – und uns nur um der Hoffnungslosen Willen gegeben. Trauer ist Hoffnung – Hoffnung im Widerstand.
Termin : |
Dienstag, den 26. August 2014 um 19:30 Uhr |
Ort : |
im Konferenzraum des Hümmling Krankenhaus in Sögel |
Referent : |
Michael Strodt (Seelsorger und Trauerbegleiter) |
Anmeldung : |
bei Michael Strodt (Tel. 05952 / 209 25 42) |
Literatur : |
George Bonanno, Die andere Seite der Trauer, Verlustschmerz und Trauma aus eigener Kraft überwinden, Bielefeld 2012.
Luise Reddemann, Überlebenskunst, Stuttgart 2013.
Boris Cyrulnik, Rette dich, das Leben ruft, Berlin 2014.
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